Mustererkennung: Wie die KI die Sicherheit erhöht
Presseaussendung vom 29.04.2020
Computer haben dem Menschen eines voraus: sie können etwas stundenlang ohne Pause und mit gleicher Präzision ausführen. Das haben sich Forscher des Software Competence Center Hagenberg zunutze gemacht, um in der Sicherheitsforschung (KIRAS) den Objektschutz zu verbessern. Als wissenschaftlicher Partner im Projekt SKIN (Schutz der Außenhaut Kritischer InfrastruktureN) konnten sie für die Bundesministerien für Inneres (BMI) sowie Landesverteidigung (BMLV) und das Vienna Centre for Societal Security (VICESSE) unter Leitung der PKE Holding AG die Fehleranfälligkeit der Videoüberwachung öffentlicher Gebäude um ca. 65% pro Kamera und Tag reduzieren. Erkenntnisse daraus fließen nun in das Leitprojekt Connecting Austria sowie das EU Projekt ALOHA ein.
Bislang erfolgt die Überwachung von öffentlichen Gebäuden wie Botschaften, Museen oder Ämtern über Kamerasysteme. Diese liefern Bilder auf Monitore in einen Kontrollraum, wo die Vorgänge von Menschen überwacht werden. Ungeklärte Bewegungen rund um das Gebäude lösen Alarm aus. Die Aufgabe im Projekt SKIN, gefördert im Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, war Wege zu finden, wie Künstliche Intelligenz als Assistenzsystem Aktivitäten rund um ein Gebäude erkennen kann, um den Wachdienst zu entlasten.
Daten aus Wissen generieren
Das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) forscht an Analysemethoden für Bilddaten auf Basis von geometrischen Modellen und Konzepten. Die Forschungsergebnisse werden in der Bewegungsanalyse in der Medizin, im Objekt- und Personen-Tracking im Sport sowie in der Qualitätsinspektion in der Industrie eingesetzt. Von Mitte 2014 bis 2018 waren drei ForscherInnen im Projekt SKIN aktiv, unterstützt von Dr. Bernhard Moser, dem Forschungsdirektor des SCCH. „Wir befassen uns hier im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) mit Deep Learning, also dem vertiefenden Lernen von vernetzten Systemen. Es geht dabei um wissensbasierte Ereigniserkennung. Basis dafür sind große Mengen an Videodaten in Kombination mit Technologien, die beobachtete oder vorhersehbare Umstände wie Wetter oder typische Bewegungsmuster berücksichtigen. Ziel ist es, ein Netz so zu trainieren, dass es lernt, definierte Situationen zu erkennen und nicht bei jeder Bewegung eines Baumes Alarm zu schlagen“, erklärt Dr. Bernhard Moser. Denn aktuell löst ein Überwachungssystem noch zu oft Alarm aus, damit ein Mensch kontrolliert, ob ein beobachteter Vorgang eine Bedrohung für die Gebäudesicherheit darstellt. Da Österreich eines der sichersten Länder der Welt ist, stellen die meisten keine reale Bedrohung dar. Für den Wachdienst ist dies jedoch ermüdend: er muss sich mit jedem einzelnen befassen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es sich um einen Falschalarm handelt.
"Das SCCH ist bereits über lange Jahre ein verlässlicher Partner. Dieses Projekt, das als gemeinsame Idee entstanden ist, sollte mit einem neuartigen Ansatz ein Problem aus der Praxis lösen und so die Sicherheit verbessern. Die Kompetenz von PKE im Bereich der Sicherheitstechnik hat sich optimal mit der Expertise von SCCH in der Datenanalyse ergänzt", erklärt DI Werner Kloihofer von der PKE Holding AG
Behavioral Analysis kann hier Abhilfe schaffen, indem Bewegungsmuster aus den Videos abgeleitet und qualifiziert werden. Dazu benötigen die Forscher aus Hagenberg tausende Daten über alle Abläufe, die um ein Gebäude vorkommen, idealerweise im Jahresverlauf: verschiedenste Muster von fließendem und stehendem Verkehr auf der Straße und auf dem Parkplatz, Besonderheiten wie Müllauto, Fußgänger, Radfahrer, Kinderwägen – also wo und wie sich Fahrzeuge und Menschen bewegen – ebenso wie vorbeifliegende Plastiksackerl oder eben Bäume im Wind. Dafür wurden im Projekt SKIN Daten aus der Videoüberwachung durch PKE bereitgestellt. Dabei relevante Datenschutzaspekte wurden von PKE mit Hilfe des Projektpartners VICESSE geklärt und entsprechend im Design des Systems berücksichtigt.
Datengetriebene Modellierung
„Wir verarbeiten keine Daten mit identifizierbaren Personen“, beschreibt Dr. Bernhard Moser die Vorgehensweise des SCCH, sondern nutzen anonymisierte Bewegungsdaten. So kann man erkennen, wohin sich jemand bewegt, ohne Rückschlüsse auf die Person ziehen zu können. Mittels Ereigniserkennung werden aus den Videodaten des zu überwachenden Objekts und anhand allgemein gültiger Modelle darüber, wie und wo sich Menschen bewegen (aufrecht, meist auf definierten Wegen wie Gehsteigen) sogenannte Bewegungskarten erstellt. Die häufigsten Wege stellen übliche, ungefährliche Bewegungen dar. Die Forscher können mittels datengetriebener Modellierung daraus Vorhersagen ableiten. Diese kombinieren sie mit Umgebungswissen, indem der Anwender des Systems relevante Daten wie Haupteingang, Stoßzeiten, nahe Schule mit Publikumsverkehr, Hofeinfahrt für die Müllabfuhr, Gehweg oder Ausfahrt festlegt und etwa Bewegungen von Bäumen ausgeblendet werden. Um die Präzision der Vorhersagen zu erhöhen, nutzen die Experten aus Hagenberg dieses Wissen, um ein Wahrscheinlichkeits-basiertes System aufzubauen und mittels Deep Learning zu trainieren: es erkennt eine Bewegung, die von A nach B führt, und lernt anhand langjähriger Beobachtungsdaten, wie sie höchstwahrscheinlich weitergeht. Solange die Bewegung im erlernten Muster verläuft, wird kein Alarm ausgelöst. So konnte im Prototyp eines neuen Sicherheitssystems für die PKE die Anzahl der Meldungen um ca. 65% gesenkt werden.
Die verwendeten Methoden erlauben es auch, Ereignisse im Videoarchiv nachträglich suchen zu können, ohne dass einzelne Videos gesichtet werden müssen und ohne dass die Suchkriterien bereits bei der Aufnahme festgelegt sein mussten. „Das ist problemlos möglich, weil alle Situationen als Muster abgespeichert sind“, erklärt der Forscher: „Dazu wird das Videomaterial beim Durchlauf segmentiert. So kann man einerseits alle Aufnahmen suchen, in denen ein Fahrrad vorkommt und zusätzlich etwa ein rotes Fahrrad. Andererseits kann man anhand der Bewegungsmuster eine Person suchen, die an einer bestimmen Stelle umdreht.“ Erste Arbeiten hierzu wurden bei PKE durchgeführt. „Aus unserer Sicht war SKIN ein rundum erfolgreiches Projekt“, so Moser, „es konnte auch ein wissenschaftliches Paper veröffentlicht werden – ein wesentlicher Aspekt für das Kompetenzzentrum. Unserer MitarbeiterInnen können Erfahrung mit dieser Art von Daten und verfeinerte Methoden mitnehmen. Diese fließen nun z.B. in das Leitprojekt CONNECTING AUSTRIA ein, das die ideale Verbindung von energieeffizientem und automatisiertem Güterverkehr von der Autobahn in die Stadt untersucht, oder Projekten wie "RAILEye – KI und der tote Winkel in Schienenfahrzeugen", oder die EU-Projekte ALOHA - gemeinsam mit PKE - oder TRESSPASS zur Verhaltensvorhersage von Personen an definierten Grenzen und in Flughäfen".
"Die im Rahmen des Forschungsprojektes erzielten Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Mit dem Markttrend hin zu Smart Cameras mit integrierter Bewegungsanalyse ermöglicht der gewählte Ansatz einen Mehrwert, der sonst nicht zu erreichen ist. Das angemeldeten Patent sowie zahlreiche Folgeprojekte zeigen die Innovationskraft dieser Zusammenarbeit", sagt DI Werner Kloihofer.
Über die Software Competence Center Hagenberg GmbH
Die Software Competence Center Hagenberg GmbH (SCCH) ist ein außeruniversitäres Forschungszentrum das seit über 20 Jahren Exzellenz in der anwendungsorientierten Forschung in den Bereichen Data Science und Software Science aufgebaut hat. Dieser Fokus ermöglicht die optimale Umsetzung von Projekten in den Bereichen Digitalisierung, Industrie 4.0 und KI. Das SCCH versteht sich als Schnittstelle zwischen internationaler Forschung und heimischer Wirtschaft und betreibt mit seinen Forscherinnen und Forschern herausragende Forschung.
Das COMET K1-Zentrum wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch BMVIT, BMK und Land Oberösterreich gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.
Über die PKE Holding AG
Die PKE Holding AG wurde im Jahre 1979 gegründet und ist im In- und Ausland erfolgreich tätig. Das Unternehmen ist zu 100% privat geführt und in österreichischer Hand. In den letzten Jahren hat sich die PKE vom mittelständischen Unternehmen zu einem Konzern entwickelt, mit mehr als 1400 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatzvolumen von 230 Mio €. Die Konzernzentrale der PKE ist in Wien und mit weiteren 6 Niederlassungen in ganz Österreich kann die PKE ihr gesamtes Portfolio flächendeckend anbieten. In Europa fokussiert PKE vorrangig auf die deutschsprachigen Nachbarländer, die über zwölf deutsche und vier Schweizer Niederlassungen betreut werden, sowie auf die Wachstumsmärkte in Mittel- und Osteuropa. In Polen, Tschechien und in der Slowakei sind wir mit eigenen Tochtergesellschaften präsent und zählen nach einer Reihe anspruchsvoller Renommierprojekte zu den führenden herstellerneutralen Lösungsanbietern. Gerne übernehmen wir für Sie die Abwicklung Ihrer weltweiten Projekte. Aktuell sind wir in über 30 Ländern aktiv. Bei der Betreuung unserer dort ansässigen Kunden setzen wir zum Teil auf eigene Niederlassungen, wie in Bahrain (BH), Abu Dhabi (AE), Doha (QA) und Baku (AZ), zum Teil auf lokale Partner wie in Al Khobar (SA), sowie auf ein weltweit tätiges Expertenteam. Wir haben ein tiefes Verständnis für regionale Anforderungen und ein globales Kompetenznetz mit langjähriger Projekterfahrung: Aufsetzend auf diese beiden Faktoren haben wir uns erfolgreich als globaler Dienstleister etabliert.